Das Tagebuch von Otto Tetens auf Samoa: die ersten Tage 1902 (Original: Übersee-Museum Bremen)
Die ersten Eintragungen im Tagebuch direkt nach der Ankunft:

Nachdem ich gestern abend angelangt und bereits den Besuch von Herrn Lammert gehabt hatte mit dem ich noch eine Flasche trank, heute früh auf und mit ihm nach dem Frühstück zu ersten Besichtigungsgang aufgebrochen. Er hat mehrere Plätze ausgewählt und es handelt sich darum, den besten daraus auszusuchen. Wir gehen zunächst westwärts die Hauptstrasse des Orts entlang durch Matafeh und Songi auf die Halbinsel Mulinuu. Der erste Punkt für die Beobachtungsstelle ist die Gegend wo die Halbinsel am schmalsten ist. Es folgt hier auf dem jetzt vom Richter Dr. Schulz bewohnten Palast des letzten Königs Malietoa Laupepa und das etwas verwahrloste deutsche Soldatengrab ein freier Platz, der sich recht gut zur Aufstellung der Hütten eignet. Das englisch-amerikansiche Grab folgt bald, und der Flaggenmast. Dann beginnt das Dorf Mulinuu mit Palmen und Bananen. Ein Bedenken ist dass der Verkehr zu diesem Dorf über den Platz weg geht, der Weg liesse sich vielleicht verlegen, doch bliebe dann eine stark betretene Strasse unmittelbar am Beobachtungsplatz bestehen. Das nun folgende Samoanerdorf liegt in 2 Reihen die Halbinsel entlang, der von einer Palmenallee gebildete Weg führt in der Mitte dahin, vor den Häusern alles Rasen, dahinter Bananendickicht von Palmen überragt. So geht es 10 Minuten Weges hin, unter den Häusern der linken Reihen befindet sich das mit festen geflochtenen Wänden ausgestattete Haus Mataafas und das etwas grössere Versammlungshaus, wo wir eine Samoanerin plätten sahen. Ein gewöhnliches aber leerstehendes Wohnhaus auf der rechten Seite besehend, werden wir von einem Samoaner aus dem Nachbarhaus zu einem Schluck Kawa (Awa) eingeladen. Wir folgen gern. Lammert hat sich in den 3 Wochen seines Hierseins schon ein paar Samoanische Brocken angeeignet und kennt so wenigstens die nötigsten Begrüssungsworte. Ich nehme auf seinen Rat nur einen ganz kleinen Schluck Kawa von der eine Schale bereits fertig dasteht. Es sind nur 3 Männer anwesend. Wir gehen bald weiter und gelangen bei den letzten Hütten an die Nordspitze der Halbinsel. Dort hören die Bananen auf und man hat zwischen den Palmen freien Ausblick auf die See ....

In ca. 2 Kilometer Entfernung ist die Halbinsel vom Riff gegen die unmittelbaren Wirkungen des Seeganges geschützt und es herrscht am Strand ganz ruhiges Wasser. Dies ist der zweite von Herrn Lammert ausgesuchte Punkt. Ich hatte ihn immer schon ins Auge gefasst und war durch Dr. Krämer in Kiel darin bestärkt worden, da er so weit von dem eisenhaltigen Basaltboden der Insel Massivs entfernt ist. Hier ist auch kein Verkehr zu befürchten, da die hier nach Osten und Süden nur etwas verlängerte Halbinsel weiterhin nicht bewohnt wird. Zurückgekehrt, mache ich noch in meiner grauen Reisekleidung - ich hatte zwar mein Gepäck bereits morgens vom Zollamt abgeholt, der Hotel-Diener holt sie in 2 Karrenladungen ohne dass Zoll verlangt wäre, ab - aber noch nichts ausgepackt - dem Gouverneur meinen Antrittsbesucht. Ein schwarzer Polizeisoldat holt den Diener, in einem grösseren Zimmer mit rundem Mitteltisch - Sitzungssaal des Gouvernementsrats - wart ich einige Augenblicke auf den stellvertretenden Gouverneur Dr. Schnee, derin einem offen damit zusammenhängendem Hinterzimmer sitzt. - Er heisst mich willkommen und stellt seine Mitwirkung bei etwaigen Schwierigkeiten in Aussicht. Auslagen für den Bau will er zunächst auf die Gouvernenementskasse übernehmen vorbehaltlich späterer Überweisung auf die Fonds der Gesellschaft der Wissenschaften. Während ich morgens mit dem neben mir im Central-Hotel logierenden Dr. Penzl, einem ungarischen Juristen, frühstückte, esse ich mittags mit dem Beamten in demselben Saal, Herr Dr. Penzl muss nun untern mit den anderen Gästen speisen. Landmesser Haidlein, den mir Dr. Solf als besten Kenner der Insel genannt hat, ferner der Postverwalter Traub essen mit, einige Tage später erscheinen noch Dr. Bohter, der auf Dienstreise ist und der Zollverwalter Schmolck, der vorläufig noch seinem im International Hotel wohnenden und schon mal vergeblich abgereisten Vorgänger Reinhard Gesellschaft leistet. Der Dampfer Kawan hatte die hohe See nicht überwinden können und war mit ihm wieder nach Apia, wo er sich bereits verabschiedet hatte, zurück gekehrt. Nachmittags folgte die Besichtigung der beiden übrigen in der Nähe Apias gelegenen Plätze für den Beobachtungspark.

Zunächst führte mich Herr Lammert nach dem Stadteil Matauta, der die Bucht auf der Ostseite begrenzt, entsprechend Mulinuu im Westen. Doch ist hier keine so weit hinausragende Halbinsel. Die Küste setzt sich hier von der Spitze an weiter ostwärts fort. Hier ist also viel Verkehr nach der Pflanzung Vailele besonders. Nahe der Spitze liegt die Lotstation, bestehend aus einem Signalmast mit Signalbällen und dem Wohnhaus des Lotsen. Weiter hinaus ist auf der Seeseite des Weges ein freier Platz, auf der anderen Seite ein noch grösserer von Eingeborenen Häusern bevorzugter. Wir kommen zu der Überzeugung, dass sich hier trotz des Verkehrs das Observatorium sehr wohl befinden könnte. Ausblick auf die Bergspitzen, der für die von Herrn Lammert auszuführende Vermessung der Insel wertvoll erscheint, ist hier wie auf Mulinuu recht gut, oder mit wenig Palmopfern herzustellen. Auf die unmittelbare Nähe der astronomischen, auch von Herrn Lammert zu benutzenden Pfeiler bei den Beobachtungshütteln bin ich aber wegen der wünschwerten Hülfe und etwas Vertretung angewiesen. 2 verrostete Kanonenrohre liegen wohl ein Rest von den Kriegszeiten 1899 oder schon von früher auf dem Platz; in deren Nähe würde die Erdbebenhütte gut stehen, 30 - 40m davon auch die Eingeborenenhütten ??? könnten die beiden magnetischen Hütteln Platz finden. Die astronomischen Pfeiler wären auf der anderen Seite der Strasse, nahe am Wasser, gut untergebracht. Auf dem Rückweg besehe ich gleich 2 leerstehende Häuser in der Nachbarschaft; das nähere gehört einem Eingeborenen: seiner Tochter, Fr. Celessa, Lehrerin an der deutschen Schule wird von gegenüberwohnenenden Nachbarn geholt und zeigt es uns. Hinter dem Hause steht ein massiver runder kleiner Pulverturm. Das andere Haus neben der Schiffsbauwert hat einen zur Untersuchung der Instrumente sehr geeigneten Laden mit Wandfächern und ist etwas freundlicher und besser unterhalten. Herr Lammert zeigt mir dann noch sein künftiges dienstlich zugewiesenes Haus, mehr landeinwärts südlich liegen. Es hat auch einen ziemlich grossen Hof- oder Gartenplatz ringsum von Wald oder Anpflanzungen umgeben, nur auf den nahen Vaeaberg einen kleinen Durchblick und wegen der basaltigen Bodenbeschaffenheit weniger zur magnetischen Beobachtungsstätte geeignet. Platz genug ist in dem Hause, so dass ich zur Note neben ihm ?? und Unterkunft finden könnte, wenn dieser Punkt sich zum Beobachtungsplatz eignen würde. - in der Nähe befindet sich der öffentliche neu hergerichtetete Badeplatz am Fluss Vaisingano. Wir nehmen dort gegen Sonnenuntergang nach Schluss dieser Besichtigungen ein Bad, wozu ich mir vorher noch in dem 10 Minuten entfernten nächsten Geschäft eine Badehose und ein Handtuch erstehe.

(Das Tagebuch hat ca. 200 Seiten, links der laufende Texteintrag, rechts, wohl nachträglich eine Herausstellung der wichtigsten Begebenheiten, getrennt nach: Vorgängen, Orten und Personen. Bereits ganz in der ersten Zeit trifft Otto Tetens Mataafa und wählt bereits den späteren Standort Mulinuu aus...)